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Muraqaba | Mohammed
   


Das Leben des Propheten Mohammed

Literaturempfehlung: 
Muhammad, sein Leben nach den frühesten Quellen von Martin Links. Erschienen im Spohr Verlag ISBN 3-927606-24-3
Das Leben des Propheten, von Ibn Ishaq. Sie gilt als die älteste Biographie Muhammads, ein Klassiker. ISBN 3-927606-22-7
Hier ein wirklich guter Link zum Thema nach Österreich, zu Islam.AT
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Trotz Leichentuchs auf seinem Kopf 

Uns ist Mohammed zu gewöhnlich  
(aus: http://www.geocities.com/sufiinstitut/mohammed.htm )
weitere Informationen im Sufi Institut

„Kein öffentlicher Zugang!“ „Mohammed? Wer ist das?“ Europa und das Abendland verhüllen ihr Gesicht. Genaueres über diesen Mann, der für Luther der „Antichrist“ war, will man nicht wissen, da das gewohnte Vorurteil zur „Einschätzung“ reicht. Das „Betreten der Person“ ist freilich nicht verboten.
Wer war dieser Mann, den ein christlicher Mythenerzähler in seinem anti-islamischen Buch Die Mythen des Koran als „frommen Dichter“ bezeichnete? Wie ist der Mann gestorben, wie hat er gelebt? Und welches Werk hat er vollbracht?

Man vergleiche den Propheten mit Jesus: „Ich bin die Stimme, die ruft: „Ebnet den Weg für den Herrn!“; „Ich bin das Licht“; „Ich bin das Brot des Lebens“[i]; „Ihr kommt zum Vater nur durch mich“; „Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst erleiden“. Hat der islamische Prophet Ähnliches über sich ausgesagt?

Muslime, die an sich dialogbereit sind, zucken erst einmal zusammen, wenn sie diese Art von Fragen vernehmen. Ihre Antwort klingt dürftig: Für ihn gab es nur „ihn“, sprich: Gott. Er glaubte nur an seinen Herrn. Sein Ich stand nicht zur Disposition. Mag sein, dass Buddha ein Erleuchteter und Jesus ein Erlöser war, „der Gesandte Gottes <dagegen> pflegte sein Schuhwerk <wie jeder andere Mann> zu flicken, sein Gewand zu nähen und in seinem Hause Arbeit zu verrichten [ii]. Ist er demnach kein Gott, vor dem man betet und den man verehrt? Der Muslim verzieht sein Gesicht: Andere Götter neben Gott hat ein Muslim Gott sei dank nicht. Sein islamischer Glaube hat es, Gott sei dank, nicht nötig, mit Nebenbuhlern Gottes aufzuwarten. Ärgerlich, wenn man, als Muslim, nicht einmal einen Religionsgründer seines Glaubens vorbringen kann, da die Ergebenheit von Gott dem Menschen „eingeboren“ ist und der Prophet sich wesentlich auf Abraham als Gründer des Islam bezieht.

Man führe sich vor Augen, wer da vor einem sitzt: Ein Mann ohne glorreiches Ich. Die Umstände, die ihn im Nachhinein auszeichnen werden, sind auf den ersten Blick beschämend. Sein Leben fing ganz ohne Wunder an. Er wurde von einer Mutter geboren, die kurz nach der Geburt einfach starb. Sein Vater, der ebenfalls vorzeitig starb, war aus Blut und Fleisch und (leider) kein Phantom. Mohammed war ein Waisenkind, ein Wunderknabe war er nicht. Die meiste Zeit verlief sein Leben ohne mystische Dramatik.

Irgendwelche Wunder (außer dem Mohammed von Gott diktierten Koran und seiner kurzen Himmelfahrt) vollbrachte er nicht. Bei einem scheinbar ausweglosen Kampf warf er den Feinden Sand in die Augen. Was ihm zum Sieg über diese verhalf. Der „Kommentar“ Allahs dazu war: „Nicht du warfst, sondern Ich...“. Mohammed verhielt sich nur redlich und praktisch, ohne dieses aufzuwerten.

War der Gesandte Gottes vielleicht zu naiv? Mohammeds scheinbar „flach“ gearteter Gott, seine Simplizität, seine Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit, die den Islam so nachhaltig prägt, hat sich als Offenbarungsträger einen Menschen ausgesucht, der selber gerade und direkt und das heißt aufrichtig war. Die Qualität des Mittlers färbt auf den Glaubensstoff ab. Mohammed war „natürlich arm“. „Meine Armut ist mein Stolz“ hat er stolz und arm gesagt. Mohammed war ein Mann, der seinen Kopf mit einem Leichentuch, dem Turban (arabisch imama, „Vollendung“) schmückte. Er war verrückt nach Gott. Auch, dass Mohammed ein Analphabet, hat ihn spürbar entzückt. Er war nur Knecht im Stall der Welt. Dass er kein König oder Kaiser war, hat ihn zutiefst beglückt. ‘Abd Allah, der „Sklave Gottes“, durfte er sein. Mehr hatte der Erwählte sich niemals erhofft.

Was weiss denn schon ein Analphabet? schürt hier das Ressentiment. War er, wie der Koran es deutlich sagt, nicht „nur ein Mensch“ wie wir? [iii]  „Was ist daran so seltsam“, dass wir einem Mann aus ihrer Mitte die Eingebung sandten“, antwortet Gott? Mohammed war kein Prophet, der etwas völlig Neues hervorgebracht hätte. Er sprach, was ihm sein Gott befahl: „Mir ist nur geheißen, den Koran vorzutragen.“ [iv] „Es steht mir nicht zu, ihn aus eigenem Antrieb zu ändern“ [v]. Ihm fehlte die gequälte Seele, die einen literarischen Ausbruch zur Folge gehabt haben könnte, die „Geister des Bösen“. Ihm fehlte das sich wehrende Ich, das aus ihm einen eilfertigen Dichter gemacht haben könnte. Es ist ein umso größeres Wunder, dass sich die Sprachgewandtheit des Korans und sein Tränen erweckender Rhythmus weit über alle Gipfel der arabischen Sprache erhebt.

Mohammed, dieser menschliche Prophet, den der Koran den „Bringer froher Botschaft“, einen Warner, Aufklärer, doch keinen Hüter oder Wächter der Gläubigen nennt, hat keine neue Kirche, sondern, auf einem alten Heiligtum (dem Tempel Abrahams) die „alte Religion“ Abrahams wiederbegründet. „Im Garten Eden nichts Neues“ hieß sein bescheidenes Motto. Mit drei Fingern seiner rechten Hand aß der Prophet aus gemeinsam genutzten Schüsseln. Er aß, was alle anderen aßen. Huren, Zöllner, Geldwechsler, zu denen wir gern gehen würden, wenn dieses als Mission anerkannt würde, verbot der Prophet. Äußere Grenzen wurden geöffnet, den Geldwechslern, durch Zinsverbot, entzog er das Geschäft. Die Polygynie machte Huren überflüssig.

War der Prophet also für unser Verständnis doch zu gering? Anstatt von Frauen angebetet zu werden, ging er eilfertig und kenntnisreich daran, zur selben Zeit acht Frauen, mit denen er verheiratet war, und drei rechtmäßige Konkubinen mit seiner Manneskraft zu verwöhnen [vi]. Anstatt Reichtum zu sammeln, verschenkte er jeden Groschen, der ihm zufiel, spätestens vor dem Abendgebet, um in der Nacht kein Geld bei sich tragen zu müssen. Er sagte beinah niemals „nein“ und schwieg höchstens statt dessen. Auch sagte er nicht „ja“, sondern „insha'Allah“, „so Gott will“. Gottvertrauen, Pflichten und Dienste prägten sein Selbstverständnis. Mohammed bemühte sich sehr, nur Gutes über Andere zu denken. Was soweit ging, dass er einen jüdischen Nachbarn, der täglich demonstrativ seinen Müll vor die Tür des Hauses des Propheten kippte, ängstlich besorgt um ihn besuchte, als eines Tages kein Abfall vor seiner Tür ausgeleert worden war; um ihn brüderlich zu fragen, wie es ihm ginge und ob er ihm, so er krank sein sollte, behilflich sein könne. Mit 63 Jahren, ganz kurz vor seinem Tod, kaufte der islamische Prophet 63 Sklaven los. Er starb eines natürlichen Todes. Wir würden gern einen Kreuzestod sterben, um dadurch unsterblich und wichtig zu werden. Doch was tat er, Mohammed? War er nicht viel zu gewöhnlich?

Gemäß seiner Weisung als Gottesprophet hat der Gesandte Gottes den prophetischen Brauch sehr betont - der als islamische „Sunna“ das Lebensvorbild für einen jeden Muslim abgeben sollte, da nachgerade alle Lebenstransaktionen, die im Leben eines Menschen überhaupt vorkommen können, vorbildlich von ihm vorgelebt worden sind. Mohammed war kein Schmalspur-Prophet, der wesentliche Lebensbereiche als zu säkular oder zu Göttlich ausgespart hätte. Denn „er war Kaiser und <ebenso> ‘Papst‘; aber er war ein ‘Papst‘ ohne Anmaßung, ein Kaiser ohne Legionen. Ohne eine stehendes Heer, ohne Leibwache, ohne einen Palast und ohne festes Staatseinkommen; wenn irgendein Mann das Recht zu sagen hätte, dass er von Gottes Gnaden regierte, dann war es Mohammed, weil er die ganze Macht ohne ihre Instrumente und ohne ihre Stütze besaß.“[vii]

Mohammed, den Muslime auch den „Versammler“, den „letzten der Propheten“, den „Prinzen des Universums“, die „Göttliche Autorität“, den „Meister der Gesandten“, wie auch den „Ganz Anderen“ nennt und mit etwa tausend weiteren Namen belegen, hat keine Symbole benötigt, um sein Amt durchzusetzen. Das eben macht ihn anders und lässt keinen Spielraum für jede Art mysteriöser Deutung offen. Mohammed, der Prophet, hat einen detaillierten Lebensplan für alle Eventualitäten des Lebens und des Todes vorgelegt, der die von ihm empfangene Religion untermauert. Was ihn so einzigartig macht, ist die Dichte seines Lebens, das jedes Lebensdetail im Visier hat. Metaphysische Ausreden und religiöse Fluchten haben es schwer, sich in seinem Netz der vorgelebten Transaktionen zu behaupten, und gerade aus diesem Netz will der Moderne entweichen.

Mohammed war nicht nur Prophet. Er war zugleich sein bester Interpret. Aischa, seine Lieblingsfrau, gab einmal kund, er sei „der wandelnde Koran“. Mohammed praktizierte nicht nur die Meditation, sondern übte zugleich ein strenges Richteramt nach den Regeln der Schari'ah aus. Er versenkte sich nicht nur - bis hin zur Selbstvergessenheit, sondern war zugleich als Regierungschef, persönlicher Berater, Kaufmann und Schlichter und Kämpfer präsent. Er verzieh mit Großmut seinen Feinden, doch den Krieg um Gottes willen gab er nicht auf. Er war zugleich ein Schafhirte, doch auch General. Ärgert es uns vielleicht, dass der Schuster nicht bei seinen Leisten als Warner, Mahner und Aufklärer blieb? Ist unserem großen Freiheitsdrang die Macht des Propheten zuviel?

Es gibt etwas, was weiterhin stört: Mohammed war absolut. Wir Späteren bevorzugen das Abwägen und das Abbiegen, das Bedenken und Relativieren. Auch Mohammed war ein Meister dieses Fachs - wenn es um Nichtigkeiten ging. In der Hauptsache war er unnachgiebig entschlossen. Den kleinsten Nenner der Wahrheit lehnte er ab. Seine Persönlichkeitskonzept war absolutistisch; was nicht allein in Pseudo-Demokratien zu Aufschreien führt. Die Freiheit der Wahl der eigenen Religion, wie auch die Ausübung derselben, waren ihm heilig; doch religiöse Freiheiten lehnte er ab. Entweder dies‘ oder das! Was man auch wähle, daran halte man sich! Uneingeschränkt wie Gott, solle auch der Muslim in seinem Wahrheitsdienst sein. Der Gläubige solle sich seiner Göttlichen Dienste pointiert und präzise entledigen. Es komme auf die Genauigkeit und Intensität ihrer Ausführung an. Halbherzigkeiten galten ihm als Ausdruck der Heuchelei. Bedenken wollte er niemals die Oberhand geben. Man folge dem bedenkenlos, was man hinreichend sicher erkennt. „Gib auf, was Zweifel in dir weckt, und folge dem, was zweifelfrei ist“ war einer seiner Sprüche. „Sage: „Allah“ und dann stehe dazu!“ Ein jedes Hin- und Her macht verworren und hemmt.

Mohammed war ein Prophet der unbedingten Ausschöpfung dessen, was in jedem Individuum liegt. Ihm war bewusst, dass jedes Verdrängen der menschlichen Potenz zu Bösartigkeiten und Untreue führt. Treue gegenüber seinem eigenen Selbst gehörte zu seinen Lebensmaximen. Der Gläubige möge alles das opfern, was sein kleinliches Ego ausmache. Das wäre Opferstoff in Hülle und Fülle. Alles Vorgetäuschte, Angepasste, billig Erworbene sei ins Feuer der Verdorbenheit zu werfen. Illusionen, wie Literatur, seien nur Brennstoff für die Hölle. Das, was den Menschen quäle, sei nichts denn eine Form der Abweichung von der menschlichen Norm.

Mohammed schätzte die Vollkommenheit als höchstes erwerbbares Gut. Er nutzte das „Schwert seines Intellekts“ (Thomas Carlyle), um diese Verlockung ganz sichtbar zu machen. Ihn störte nicht, dass Ungläubige seine Einladung zur Vollendung ihrer immanenten Vollkommenheit als Affront und Kampfansage auffassten. Wie Moses sein Volk, so wollte Mohammed seine Gläubigergemeinde aus den Sümpfen ihrer Ambiguität, ihrer Selbstverleugnung und der Wüste ihrer Gottesblindheit heraus führen. Faule Rücksichten kannte er nicht. „Der Glaube Mohammeds ist frei von den Verdächtigungen der Ambiguität, und der Koran ist ein ruhmreiches Zeugnis der Einheit von Gott“, sagt Gibbon dazu [viii]. Entschiedenheit hieß seine Tagesordnung und Unterscheidung in „richtig“ und „falsch“.

Er stellte sich stündlich die Frage, ob eine seiner Handlungen sein Dasein gottgefügig machte. Wir Heutigen würden sagen: Ob es „zielführend“ war oder nicht? Dass dieses „entweder oder“ nicht ins optionale Denken und zum Souveränitätsverständnis der „lost generation“, also der Endzeitgesellschaft der Gegenwart passt, ist nur allzu verständlich. Wer hat sich je gefragt, warum er die Entscheidung für oder wider und damit die „Einseitigkeit“ hasst?
Mohammed war ein Clausewitz, wenn er das Schlachtfeld betrat. Er wandelte sich in einen König Salomon, wenn er seine Gefährten beriet. Er war ein Diener der Situation. Er rieb sich Steine auf dem Bauch, wenn seine Hungerqual zu übermächtig wurde. Denn er war auch ein Asket: „Mein Herr bot mir an, die Berge von Mekka in Gold zu verwandeln, da schickte ich dies Bittgebet zu ihm: „Mein Gott! Ich wünschte mir, an einem Tag zu essen und mich am nächsten hungrig zu fühlen - damit ich vor dir weinen möge und mich an dich erinnern möge, wenn ich Hunger verspüre. Lass mich dann dankbar vor dir sein und lass mich deinen Ruhm verkünden, wenn mein Hunger dann vergeht.“ “Jemand, der um Hunger bittet? „Bequemlichkeit und Leichtigkeit“ hat er dazu gesagt, „sind besser im Jenseits als im Diesseits“.[ix]

Büsten, Bilder oder Skizzen des Propheten haben nicht überlebt. Wenn sie je angefertigt wurden [x]. Ihm ging es nicht darum, welche Vorstellung spätere Generationen über ihn anstellen würden; allein sein Werk hat seine Zeit überlebt. Niemand wird zu widersprechen wagen, dass sein alltägliches Handeln das umfassendste, Göttlich inspirierte Lebenstransaktionsmodell ist, dass je ein Mensch ausgeübt und bewusst vorgelebt hat. Die von ihm erteilten Ratschläge reichen von der Geburt bis zum Tod. Gläubige, die bestrebt sind, ihr irdisches Leben als ein unerschöpfliches geistiges Training und einen permanenten Wettkampf mit ihren eigenen Widerborstigkeiten aufzufassen, kommen voll auf ihre Kosten.

War Mohammed demnach doch ungewöhnlich? Als durchlässiges „Sprachrohr Gottes“ hat der Gesandte des Islam den umfassendsten Ethikkatalog der Menschheit und die umfangreichste, einer einzigen Person offenbarte Heilige Schrift hinterlassen [xi]. Ohne jeden Heiligenschein hat dieser außergewöhnliche Mensch eine Revolution des Bewusstseins bewirkt, da seine vorbildliche Lehre mehr als nur ein  „schönes Sentiment“ ohne spezielle Handlungsphilosophie war. In seiner Einfachheit, die fast der Unbedarftheit glich, und über die Thomas Carlyle in seiner Schrift „Der Held als Prophet“ schrieb, dass „er sich nicht helfen konnte, einfach aufrichtig zu sein“, hat dieser Analphabet durch beigeholte Schreiber je einen Brief an die Herrscher seiner fünf Nachbarländer geschrieben, durch die er sie punktum zu seinem Glauben einlud: „Von Mohammed, dem Gesandten Gottes, an Heraklius dem Kaiser von Konstantinopel: Akzeptiere den Islam und genieße seinen Nutzen!“[xii] Hörbar der Tenor eines Generals, der sich an seine Truppen wendet.

Jegliche mögliche Arroganz eines „Ich aber sage euch...“ fehlt hier jedoch vollständig. Die Direktheit Mohammeds ließ keinen Platz für seine Person. „Buddha sprach“ oder „Also sprach Zarathustra“ hat nicht zu einem „Also sprach Mohammed“ geführt. Sich selber wollte der Prophet nicht in den Auftrag an ihn eingemischt wissen.

Wissenschaftler, Forscher und Gelehrte, die sich, jenseits des kollektiven Vorurteils, mit den vielen Rollen dieses Glaubenskünders und seiner Wirkung ernsthaft beschäftigt haben haben, sind in der Tat zu extremen Feststellungen gelangt. Vor allem, wenn sie eine Frage stellten, die für die Menschheit insgesamt von Belang ist: „Wer sind die größten Führer der Geschichte gewesen?“, wie die Time sie zum Beispiel gestellt hat[xiii]. „Was macht den großen Führer aus?“ Und: „Wer qualifiziert sich für dieses Amt?“

Die Time gab prominenten Denkern und Geschichtsschreibern Raum, ihre Meinung mitzuteilen. Jules Wassermann, ein in den USA lebender und lehrender Psychoanalytiker, stellte drei Kriterien für eine Antwort auf:

  1. Der gesuchte Führer muss für das Wohlsein der Geführten gesorgt haben.

  2. Der in Frage kommende Führer muss eine soziale Organisation bereitgestellt haben, in der sich seine Leute sicher fühlen können.

  3. Der außergewöhnliche Führer muss seine Leute mit einem kompletten Glaubensset versorgt haben.

Wassermanns Schluß überrascht: „Der vielleicht größte Führer aller Zeit ist Mohammed gewesen, der diese drei Bedingungen alle erfüllt“. Ramakrishna Rao, ein Hindu-Philosoph, gehört zu den vielen, die dieses Urteil teilen: „Vier Jahre nach dem Tod von Justinian (im Jahre 569), wurde in Mekka, in Arabien, ein Mann geboren, der unter allen Menschen den größten Einfluss auf die menschliche Rasse ausübte: Mohammed“, wie John William Draper in seiner „History of the Intellectuel Development of Europe“ 1875 schrieb. Er ergänzte seine Worte, indem er Adolf Hitler zitiert: „Ein großer Theoretiker ist selten auch ein großer Führer, da es wahrscheinlicher ist, dass <nur> der Agitator dessen Qualitäten besitzt. Er ist bestrebt, ein immer besserer Führer zu werden, da Führerschaft bedeutet, Menschenmassen zu bewegen. Das Talent, Ideen hervorzubringen, hat nichts mit der Kapazität der Führerschaft gemein“. Hitler fährt dann weiter fort: „Die Vereinigung von Theoretiker, Organisator und Führer in einer Person ist das seltenste Phänomen dieser Erde. Darin allein besteht die Größe“. Woraus K.S. Rao die Folgerung zieht: „In der Person des Propheten des Islam hat die Welt das rarste Phänomen dieser Erde in Fleisch und Blut wandeln gesehen“.

Der christliche Missionar R. Bosworth Smith schließt sich diesem Urteil an: „Durch ein in der Geschichte einmaliges Glück, ist Mohammed ein dreifacher Gründer. Der Gründer einer Nation, eines Reiches und einer Religion“. Auch Bernhard Shaw reiht sich in diesen Chor der Apologeten dieses ungewöhnlich-gewöhnlichen Gotteslieblings und Menschenfreunds ein: „Ich habe ihn studiert, diesen wunderbaren Mann, und meiner Meinung nach war dieser weit von einem Anti-Christen entfernt. Man kann nicht umhin, ihn den Retter der Menschheit zu nennen“. Selbst die berühmte Encylopedia Britannica [xiv] kann sich nicht anders helfen: „Mohammed war die erfolgreichste aller religiösen Persönlichkeiten“.

Hier heulen die Sirenen der Skeptiker auf. Mohammed war ein Scharlatan! War er nicht ein Despot!? Ein raffinierter Menschenverführer und Menschenverächter? „Sollen wir etwa vermuten“, gibt Thomas Carlyle hier zu bedenken, „dass alle guten Worte Mohammeds nur intellektuelle Taschenspielereien waren, wenn man so will: ein Hokus Pokus. Ich, für meinen Teil, kann eine solche Vermutung nicht in mir bilden. Einem ginge doch gänzlich der Glaube an die Menschheit verloren, wenn der <geistige> Schwindel derartig in der Welt wachsen und blühen würde.“ Und Carlyle fährt fort: „Ein trügerischer Mann hat eine Religion gegründet? Wie das? Ein trügerischer Mann kann nicht einmal ein Ziegelhaus errichten. Wenn er nicht wirklich die Eigenschaften des Mörsers, des gebrannten Lehms wie die der anderen Dingen, die da hinein spielen, kennt. Er würde kein Haus, sondern einen Kehrrichthaufen errichten, und es würde auf keinen Fall zwölf Jahrhunderte dastehen können, um hundertundachtzig Millionen Gläubige beherbergen zu können[xv]. Es wird einfach zusammenbrechen“ „Gegen die Schwindler-Theorie spricht auch die Tatsache, dass <der Prophet> in diesem ganz und gar unakzeptablen und ganz und gar beschaulichen und gewöhnlichen Platz gelebt hat, solange bis sein Altersfeuer ausgeglüht war. Er war vierzig Jahre alt, bevor er über irgendeine Himmelsmission sprach. Sein ganzes Streben war bis dahin offensichtlich das, ein ehrenwertes Leben zu führen, und sein Ruhm bestand allein darin, dass Nachbarn, die ihn kannten, eine gute Meinung von ihm hatten“. „Und was seine Ambitionen betrifft? Was hätte ganz Arabien für diesen Mann schon tun können? Mit den Kronen des Griechen Heraklius, des Persers Chosroes und all der anderen Kronen auf Erden? Was hätten sie ihm bieten können? Lag es nicht am Himmel oben und an der Erde unten, dass alle jene Kronen und Reiche in nur wenigen Jahren abgeschrieben sein würden? Der Scheich von Mekka in Arabien zu sein und nicht einmal ein Stückchen vergoldeten Holzes in seiner Hand zu halten: würde das schon jemandes Erlösung sein? Ich denke ganz entschieden: „nein“. Deshalb sollten wir diese Schwindler-Hypothese insgesamt als unglaubwürdig fallen lassen. Sie ist nicht einmal tolerierbar und nur unserer Verabschiedung wert“. In seiner „Historie de Turquie“ schreibt Lamartine hierzu: „Wenn die Größe des Zweckes und die Geringheit der Mittel und die erstaunlichen Ergebnisse die drei Kriterien des menschlichen Genius sind, wer könnte es dann wagen, irgendeinen grossen Mann in der modernen Geschichte mit Mohammed zu vergleichen? Er war ein Philosoph, ein Redner, ein Gesandter, ein Gesetzgeber, ein Krieger, ein Eroberer seiner Idee, ein Wiederhersteller des rationalen Glaubens, eines Kultes ohne Bilder: Der Gründer von zwanzig irdischen Reichen und einem geistigen Reich, das alles ist Mohammed. Wenn man ihn mit allen Standards menschlicher Größe misst, dann lässt sich sehr wohl fragen: gibt es irgendeinen Mann, der grösser ist als er?“

Hat also Gott doch recht gehabt, wenn er im Koran den Vers offenbarte: „Und haben wir dein Ansehen nicht hoch empor gehoben?“ [xvi] Stanley Lane Poole rührt an den tiefen Grund, der zu diesem Ansehen führte: „Er war ein Enthusiast in jenem noblen Sinn, der Enthusiasten zum Salz der Erde werden lässt, und zu jenem einzigartigen Impuls wird, der die Menschen vor der Verrottung bewahrt. Er gehörte zu jenen wenigen Glücklichen, die die höchste Freude dadurch erlangten, dass sie eine einzige große Wahrheit zu ihrer Lebensquelle machen. Er war der Botschafter des einen und einzigen Gottes; und niemals, bis an sein Lebensende, vergass er, wer er war - und auch nicht seine Botschaft, die das Mark seiner eigenen Wesenhaftigkeit war. Er brachte diese Botschaft seinen Leuten mit einer großen Würde dar, die dem Bewusstseins seines hohen Amtes entsprang und mit einer äußerst süßen Demut gepaart war, deren Wurzeln im Wissen um seine eigene Schwäche lag“. Er lebte das, was der Koran ihm befahl: „Sprich: „O Volk der Schrift!/ Kommt, und lasst uns handelseinig werden:/ Dass wir keinen Gott als Gott verehren;/ dass wir diesem keine Partner assoziieren./ <und> dass wir aus unseren eigenen Reihen keine Herren und Patronen neben Gott küren“/ „Und wenn sie sich dann wegwenden sollten, dann sage nur: „Ihr seid Zeugen, dass <zumindest> wir Gottergebene sind“. Ist diese definitive Haltung an unserer Ablehnung schuld? Die barmherzige Kompromisslosigkeit ist jedenfalls der Prüfstein, an dem sich jede Relativität und Synchronität misst. Sie ist der eigentliche Fels, auf dem der Turm der mehr als eine Milliarde Muslime dieser Zeit steht oder fällt. Aus diesem einen Grund ist jeder wahre Muslim auf den Propheten des Islam so eifersüchtig stolz.

Wie stolz auch die übrige Menschheit auf diesen großen Muslim sein könnte, hat ein Historiker dieser Zeit dokumentiert, Michael H. Hart. Der Wissenschaftler, der unter anderem Astronom und Mathematiker ist, hat, in einem fast sechshundertseitigen Buch, ebenfalls nach den einflussreichsten Männern der Geschichte gesucht. Und er hat sie, „Die hundert Größten“, offenkundig gefunden. Asoka, Aristoteles, Buddha, Konfuzius, Hitler, Plato und Zarathustra gehören dazu. Die Wahl des Allergrößten wird alle überraschen, die abergläubig, neidisch und unbedarft sind: „Meine Wahl Mohammeds, die Liste der einflussreichsten Personen der Welt anzuführen, mag manche Leser überraschen und von anderen gar hinterfragt werden. Doch war er der einzige Mensch der Geschichte, der zu höchst erfolgreich sowohl auf der religiösen wie auf der säkularen Ebene war“. „Es mag anfänglich eigenartig erscheinen, dass Mohammed höher als Jesus eingestuft wird, da es, grob geschätzt zwei Mal so viele Christen auf der Welt wie Muslime gibt[xvii]. Es gibt jedoch zwei prinzipielle Gründe für diese Entscheidung. Erstens, spielte Mohammed in der Entwicklung des Islam eine weit bedeutendere Rolle als Jesus in Bezug auf Entwicklung des Christentums spielte. Denn wiewohl Jesus für die ethischen und moralischen Hauptvorschriften des Christentums verantwortlich war (insofern dieses vom Judentum abwich), war doch der heilige Paulus der Hauptentwickler der christlichen Theologie, sein wesentlicher Proselyt und der Autor grosser Teile des Neuen Testaments. Mohammed jedoch war sowohl für die Theologie des Islam wie seine hauptsächlichen ethischen und moralischen Prinzipien verantwortlich, und er spielte eine zusätzliche Rolle in der Verbreitung des neuen Glaubens und bei der Etablierung der religiösen Praktiken des Islam“.[xviii] Lässt sich Vernünftiges dagegen sagen?

Mohammed, der „Vielgelobte“, der auch den biblisch annoncierten Namen Mustafa, der „Allerauserwählteste“ trug, war in der Tat ein Revolutionär, der, anders als die religiösen Gründer vor ihm, die Durchsetzung seiner sozialen Ideen persönlich miterlebt und diese in die Wirklichkeit umgesetzt hat: Die Auflösung der Priesterkaste; die gänzliche Beseitigung sozialer Hierarchien; eine religiöse Union ehemals befeindeter Stämme; die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter; unbedingte Rassengleichheit; Ehen zwischen Freien und Sklaven; einen Sozialpakt zugunsten der Entrechteten und Armen; eine dezidierte Besitzregelung; und die Besitzreinigung durch eine Reichtumssteuer. Auch seine ökonomische Revolution war einfach umwälzend: Aller Besitz gehört nur Gott. Man darf nur so viel Land besitzen, wie man persönlich bearbeiten kann. Besitz verpflichtet. Zinsen werden abgeschafft. Spekulatives Horten wird bei Strafe verboten. Jede Form des Wirtschaftens muss der gesellschaftlichen Solidarität und dem Gemeinwohl dienen. War also doch übermenschliches Wirken im Spiel?

Als der Prophet der Gottergebenheit 632 starb, war einer seiner Gefährten, der spätere Kalif Omar, jedenfalls derartig geschockt, dass er wie von Sinnen rief: „Wenn irgendjemand sagen sollte, Mohammed ist tot, dem werde ich den Kopf abschlagen!“ Mohammeds treuester Gefährte, Abu Bakr as-Siddiq, korrigierte diesen Ausruf sofort: „Mohammed ist wirklich von uns gegangen. Jene, die Mohammed verehrten, sollten wissen, dass Mohammed tot ist. Doch jene, die Allah verehrten, sollten wissen, dass Gott immerwährend lebt...“

 

[i] Siehe Johannes 6:35.
[ii]
Diese Überlieferung stammt von der Frau Mohammeds, Aischa.
[iii]
„(Und) sprich: Ich bin nur ein Mensch wie ihr,doch mir ist es offenbart worden, dass euer Gott ein Einziger Gott ist.“ (Sure 18, Vers 110).  
[iv]
Sure 27, Verse 91 f.  
[v]
Sure 10, Vers 15.
[vi]
Insgesamt besaß er 15 Frauen.
[vii]
Zitat von Bosworth Smith.  
[viii]
In: „Decline and Fall of the Roman Empire“.  
[ix]
Diese Aussage beruht auf einem vom Kalifen Omar berichteten Hadiß.
[x]
Ich nehme hier Bezug auf das iklamische Verbot plastischer Darstellung von Menschen und Tieren.
[xi]
Allein das Standardwerk Imam Maliks, „al-Muwatta“ umfaßt 66 Bücher mit fast zweitausend Abschnitten.
[xii]
Mohammed schrieb Kopien dieses Briefes an den König ‚Ägyptens, den Negus von Abessinien, den Kaiser Heralius in Konstantinopel und den König Yemens.
[xiii]
In der Ausgabe vom 15. Juli 1974.
[xiv]
In ihrer Ausgabe No. 11.
[xv]
Heute wird die Zahl der Muslime weltweit auf ca. 1,2 bis 1,3 Milliarden geschätzt.
[xvi]
Siehe Sure 94, Vers 4.  
[xvii]
Siehe die korrekte Schätzung in Fußnote 40.
[xviii]
Michael H. Hort. The 100. Seiten 38 f.

 

 

 

 

 

 












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